Über den Wassern

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Über den Wassern (von und für J.W. Goethe)

Die Seele gleichet dem Wasser:

Hoch vom Himmel fällt es her,

Und auf die Erde nieder;

Zum Himmel steigt es jäh empor,

Und es kehret wieder.

Zum Gedicht

Das Gedicht „Über den Wassern“ stammt ursprünglich von Goethe. Der Autor hat einfach die erste Strophe des Gedichts „Gesang der Geister über den Wassern“ für sich adaptiert, und in nicht ungekonnter Weise um- und weitergedichtet. Das Gedicht hat fünf Zeilen in denen sich Jamben und Trochäen abwechseln, und im Einleitungssatz der ersten Zeile ist sogar ein Daktylos eingebaut. Der Einleitungssatz der ersten Zeile steht für sich; er bleibt reimlos. Der nun folgende Vierzeiler steht im Kreuzreim, wodurch der Spannungsbogen möglichst lange aufrecht erhalten wird. Am Ende hat sich der Kreis geschlossen und die Spannung löst sich auf. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Wechsel von männlichen und weiblichen Versendungen, wobei die männlichen die der dynamischen Bewegung sind („her“ und „empor“), während die weiblichen die Wiederkehr des geschlossenen Kreislaufs bezeichnen („nieder“ und „wider“). Es ist eine Spezialität des Autors, gerade auch mit dem Mittel dynamischer Vorsilben und Versendungen (bzw. –pausen) zu arbeiten und somit dem klassischen Schema von Jambus und Trochäus eine neue, höhere Form zu geben. Der Autor betont immer wieder, dass es ihm vor allem auch um das Sprachempfinden geht, das der Autor dann u.a. mit seinen spirituellen Wahrheiten verbindet. Das ganze Gedicht ist ein Lehrgedicht. So vermittelt uns auch dieses Gedicht eine tief empfundenen spirituelle Weisheit. So heißt es im Einleitungssatz der ersten Zeile, dass die Seele dem Wasser gleichet. Das ist an sich nichts neues, und sollte uns ein wohl vertrautes Bild sein. Allein es geht Goethe, und mit ihm dem Autor, um den ewigen Kreislauf der Natur. So hebt der nun folgende Vierzeiler, der diesen ewigen Zyklus beschriebt, mit betonter Silbe an: „Hoch vom Himmel fällt es her.“ Das Wasser fällt vom Himmel auf die Erde, und steigt dann wieder zum Himmel empor (Z.4) Am Ende wiederholt sich alles; das Wasser kehrt zu-rück zur Erde: „Und es kehret wieder.“ Beschrieben wird also ein ganz einfacher spiritueller Gedanke, der Gedanke von Geburt, Tod und Wiedergeburt, und so singt Goethe, und mit ihm der Autor, das Hohelied auf den Gedanken der Reinkarnation, der, so die Ansicht der Autoren, einer der glücklichsten ist, den ein Mensch haben kann. (J.St.)

Es wäre nun vielleicht interessant, Goethes Originalgedicht zu Vergleichszecken heranzuziehen. Daher lasse ich hier nun sein Gedicht „Gesang der Geister über dem Wasser“ folgen:


Gesang der Geister über dem Wasser

Des Menschen Seele

Gleicht dem Wasser:

Vom Himmel kommt es,

Zum Himmel steigt es,

Und wieder nieder

Zur Erde muss es,

Ewig wechselnd.


Strömt von der hohen,

Steilen Felswand

Der reine Strahl,

Dann stäubt er lieblich

In Wolkenwellen

Zum glatten Fels,

Und leicht empfangen

Wallt er verschleiernd,

Leisrauschend

Zur Tiefe nieder.


Ragen Klippen

Dem Sturz entgegen,

Schäumt er unmutig

Stufenweise

Zum Abgrund.


Im flachen Bette

Schleicht er das Wiesenthal hin,

Und in dem glatten See

Weiden ihr Antlitz

Alle Gestirne.


Wind in der Welle

Lieblicher Buhler;

Wind mischt vom Grund aus

Schäumende Wogen.


Seele des Menschen,

Wie gleichst du dem Wasser!

Schicksal des Menschen,

Wie gleichst du dem Wind!

Literaturhinweise