Westfälischer Friede
Der Westfälische Friede oder Westfälische Friedensschluss bezeichnet eine Reihe von Friedensverträgen, die zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 1648 in Münster und Osnacbrück geschlossen wurden. Sie beendeten den Dreißigjährigen Krieg im Heiligen Römischen Reich und den Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande.
Entsprechend den nach Verhandlungsparteien getrennten Tagungsorten des Friedenskongresses wurden zwei komplementäre Friedensverträge ausgehandelt. Für den Kaiser und Frankreich war dies der Münstersche Friedensvertrag und für Kaiser und Reichsstände einerseits und Schweden andererseits der Osnabrücker Friedensvertrag. Beide Verträge wurden am selben Tag, dem 24. Oktober 1648, in Münster im Namen von Kaiser und König von Frankreich bzw. Königin unterzeichnet.
Vorausgegangen war ein fünf Jahre währender Friedenskongress aller Kriegsparteien, der zugleich in beiden Städten tagte. Es war der erste internationale Kongress, auf dem nahezu alle großen europäischen Mächte vertreten waren. In einem separaten Friedensexekutionskongress zwischen April 1649 und Juli 1650 in Nürnberg, dem Nürnberger Exekutionstag, wurden in zwei Rezessen verbindliche Abmachungen zu Abrüstungs- und Entschädigungsfragen getroffen. Die Beschlüsse des Westfälischen Friedens und die Ergänzungen im Nürnberger Exekutionstag wurden als Reichsgrundgesetz behandelt und im vollen Wortlaut in den Abschied des Reichstages vom 17.Mai 1654 aufgenommen.
Der Friede von Münster, Osnabrück, Mainz und Nürnberg wurde zum Vorbild für spätere Friedenskonferenzen, da er dem Prinzip der Gleichberechtigung der Staaten, unabhängig von ihrer tatsächlichen Macht, zur Durchsetzung verhalf. Die reichsrechtlichen Regelungen des Friedens von Münster, Osnabrück und Nürnberg wurden zu Bestandteilen der Verfassungsordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis zu dessen Ende im Jahr 1806. Zugleich trug der allgemeine Friede – die pax universalis – von Münster und Osnabrück zur gesamteuropäischen Stabilität bei, da sich spätere Friedensschlüsse bis zur Französischen Revolution immer wieder an ihm orientierten. Um die gesamteuropäische Bedeutung des Westfälischen Friedensschlusses zu würdigen, wurden die Rathäuser von Münster und Osnabrück als Verhandlungsorte im April 2015 von der EU-Kommission mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
Überblick
Obwohl in Münster und Osnabrück nicht alle europäischen Konflikte gelöst werden konnten, wurden doch wichtige Ziele erreicht. Der erste Erfolg war der Friede von Münster, zwischen Spanien und den Niederlanden, von den Gesandten unterzeichnet am 30. Januar 1648. Der Austausch der Ratifikationsurkunden mit feierlicher Beschwörung und öffentlicher Verlesung fand am 15. und 16. Mai 1648 im Rathaus von Münster statt. Die Souveränität der Vereinigten Provinzen der Niederlande wurde anerkannt und sie schieden aus dem Heiligen Römischen Reich aus.
Es gelang in Münster aber nicht, eine Lösung für den wichtigsten Hegemonialkonflikt der Zeit zu finden, da die Verhandlungen zwischen Frankreich und Spanien scheiterten. Ein spanisch-französischer Ausgleich kam erst mit dem Pyrenäenfrieden von 1659 zustande. Insofern war der Westfälische Friede nur ein Teilerfolg des Kongresses.
Die Westfälischen Friedensverträge beendeten jedoch immerhin den Dreißigjährigen Krieg im Reich. Kern der Regelungen war ein neues Reichsreligionsrecht. Die Rechte der Reichsstände gegenüber dem Kaiser und in ihren eigenen Territorien wurden auf die hergebrachten Grundsätze festgeschrieben. Der Westfälische Friede wurde ein Grundgesetz des Reiches und war seitdem einer der wichtigsten Teile der Reichsverfassung. Daneben akzeptierten die Friedensverträge auch die Unabhängigkeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft von der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte (Art. VI IPO = § 61 IPM) und erkannten damit faktisch ihre staatliche Unabhängigkeit an.
Trotz seines fragmentarischen Charakters galt der Westfälische Friede bis zur Französischen Revolution als Grundlage des Systems der europäischen Staaten, das um 1650 erst im Entstehen begriffen war. Anlass für dieses Urteil sind die Teilnahme vieler politisch relevanter Mächte am Kongress (wichtige Ausnahmen: Polen, Russland, England), ihre ausdrückliche Nennung im schwedisch-kaiserlichen Vertrag, die Garantie für die Einhaltung der Verträge durch Frankreich und Schweden und der Bezug auf sie in späteren Friedensverträgen.
Vorbereitungen des Kongresses
Obwohl das Thema „Universalfriedenskongress“ seit 1637 zwischen den Kriegsparteien verhandelt worden war, wurde erst im Dezember 1641 in Hamburg eine Einigung (Hamburger Präliminarfrieden) über die Teilnehmer und die Orte der Verhandlungen erzielt. Beide Verhandlungsstädte und die Verbindungswege zwischen ihnen waren vorab für entmilitarisiert erklärt worden und alle Gesandtschaften erhielten freies Geleit.
Die wirklichen Friedensverhandlungen begannen im Juni 1645 und wurden in Osnabrück direkt, ohne Vermittlung, zwischen den kaiserlichen, den reichsständischen und den schwedischen Gesandten, in Münster dagegen unter päpstlicher und venezianischer Vermittlung zwischen den kaiserlichen und den französischen Gesandten geführt. Die Trennung geschah, teils um Rangstreitigkeiten zwischen Frankreich und Schweden vorzubeugen, teils auch, weil die protestantischen Mächte und die Römische Kurie nicht miteinander verhandeln wollten.
Kaiser Ferdinand III. wehrte sich anfangs vehement gegen die Beteiligung der Reichsstände an den Verhandlungen, wurde aber insbesondere durch Frankreich gezwungen, die Beteiligung der Reichsstände zuzulassen. Der entscheidende Durchbruch wurde am 11. Juli 1645 im Rahmen des Lengericher Conclusums erzielt. Durch die Beteiligung der Reichsstände wurde der Kongress in Osnabrück neben den Verhandlungen zwischen dem Reich und Schweden zu einem deutschen Verfassungskonvent, während in Münster zusätzlich die europäischen Rahmenbedingungen, die lehnsrechtlichen Probleme und der Friede zwischen Spanien und der Republik der Niederlande verhandelt wurde.
Rang- und Titelstreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung des Kongresses, da es die erste Vereinigung der Gesandten der mitteleuropäischen Staaten war und die Etiquette ganz neu geregelt werden musste.
Verhandlungen
Während der Verhandlungen dauerte der Krieg unvermindert an und die militärischen Erfolge der ausländischen Mächte beeinflussten die Verhandlungen erheblich.
Obwohl die Beteiligung der Reichsstände an den Verhandlungen mehrfach gefordert wurde (Admissionsstreit), vertrat der Kaiser das Reich anfangs alleine. Ein seit 1642/43 in Frankfurt tagender Reichsdeputationstag beriet hingegen die verfassungspolitischen Probleme des Reiches. Dementsprechend schlug der schwedische Gesandte Johan Adler Salvius schon 1643 vor, die Majestätsrechte zu usurpieren, und formulierte: Ihre Sekurität besteht in der deutschen Stände Libertät.<ref>zitiert nach Georg Schmidt, S. 178.</ref>
Der schwedische General Torstensson drang sogar 1645 in die kaiserlichen Erbländer bis an die Donau ein, und Königsmarck eroberte am 15. Juli 1648 die Prager Kleinseite. Dies gab bei den langen und schwierigen Unterhandlungen den Ausschlag, und beide Friedensverträge wurden nun am 24. Oktober 1648 zu Münster unterzeichnet. Erst nahezu vier Monate später am 18. Februar 1649 wurden die Ratifikationsurkunden ausgetauscht, und noch lange dauerten verschiedene Verhandlungen über die Umsetzung der Friedensbestimmungen. Für die Abwicklung der Demobilisierung, die mit einer großen Geldzahlung an Schweden verbunden war, wurden neue Verhandlungen nötig, die in Nürnberg vom Mai 1649 an stattfanden, und mit zwei Vereinbarungen, vom 26. Juni 1650 und vom 2. Juli 1650, endeten. Der vom Heiligen Stuhl im August 1650 gegen den Friedensvertrag eingelegte und auf den 26. November 1648 zurückdatierte Protest gegen die religionsrechtlichen Regelungen der Verträge blieb wirkungslos.
Territoriale Veränderungen
Schweden erhielt außer einer Kriegsentschädigung von 5 Millionen Talern zur Auflösung seiner Truppen ganz Vorpommern neben der Insel Rügen und den Odermündungsinseln Usedom und Wollin, dazu Stettin und einen in seiner Ausdehnung noch festzulegenden Streifen auf dem rechten Oderufer; ferner die Stadt Wismar mit den Ämtern Poel und Neukloster vom Herzogtum Mecklenburg, das Erzstift Bremen mit dem Hamburger Domkapitel und das Hochstift Verden. Alle diese Gebiete sollten deutsche Reichslehen bleiben, und Schweden sollte sie als deutscher Reichsstand mit Sitz und Stimme auf den Reichs- und Kreistagen besitzen.
Der Kurfürst von Brandenburg bekam den Rest von Pommern und als Entschädigung für Vorpommern, auf welches sein Haus nach dem Erlöschen des pommerschen Herzogsgeschlechts (1637) ein Erbrecht hatte, das Erzstift Magdeburg und die Hochstifte Halberstadt, Minden und Cammin; doch blieb Magdeburg bis 1680 im Besitz des damaligen Administrators, des sächsischen Prinzen August. Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin erhielt für die Abtretung von Wismar die Hochstifte Schwerin und Ratzeburg. Dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg wurde die Herrschaftsfolge im Hochstift Osnabrück, abwechselnd mit einem katholischen, vom Domkapitel gewählten Bischof (alternative Succession), zugestanden sowie die Klöster Walkenried und Gröningen überlassen. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel erhielt die gefürstete Abtei Hersfeld und einen Teil der ehemaligen Grafschaft Schaumburg. Bayern blieb im Besitz der Oberpfalz und der Kurwürde. Die Rheinpfalz mit der neu geschaffenen achten Kurwürde und dem Erzschatzmeisteramt wurde dem Sohn des geächteten Friedrich V., Karl Ludwig, zurückgegeben (Causa palatina).
Frankreich erhielt die Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun, die sogenannten Trois-Évêchés, welche es tatsächlich schon seit 1552 besaß. Ferner trat der Kaiser alle Rechte, die sowohl das Haus Österreich als auch das Reich bisher auf die Stadt Breisach, die Landgrafschaften Oberelsass (den Sundgau) und Unterelsass, und die Landvogtei der zehn vereinigten Reichsstädte im Elsass gehabt hatten, der Krone Frankreich auf ewig ab.
Die Eidgenossenschaft wurde als unabhängig vom Heiligen Römischen Reich anerkannt. Im Frieden von Münster, einem Teil des Westfälischen Friedens, wurde formell die Unabhängigkeit der Niederlande anerkannt. Allerdings waren die Niederlande de facto schon seit 1579 ein selbständiger Staat und nicht länger Besitz der Spanischen Krone. Mit dem Frieden von Münster wurde aber die Unabhängigkeit und Souveränität der Niederlande auch de jure festgelegt. Mit dieser Anerkennung schieden die Niederlande gleichzeitig aus dem Reichsverband des Heiligen Römischen Reiches, obwohl sie innerhalb des Reiches schon seit dem 15. Jahrhundert eine Sonderposition einnahmen. Abgesehen von diesen Veränderungen setzte der Friede eine unbeschränkte Amnestie für alles, was seit 1618 geschehen war, und eine Wiederherstellung (Restitution) des kirchlichen Besitzstandes von 1624 im sogenannten Normaljahr fest. Nur der Kaiser erreichte davon für seine Erblande eine Ausnahme, indem er für die Eigentums- und Besitzrestitution seiner Untertanen nur das Stichjahr 1630 anerkannte.
Kirchliche und politische Angelegenheiten
In der kirchlichen Frage bestätigte der Friede den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und schloss nun die Reformierten in die bisher nur den Augsburger Religionsverwandten gewährte Rechtsstellung ein. Alle drei Konfessionen, die katholische, die lutherische und die reformierte, wurden vollkommen gleichgestellt; die protestantische Minorität durfte auf den Reichstagen in Religionssachen nicht überstimmt werden. Die reformatorischen Täufer waren weiterhin von der rechtlichen Anerkennung auf Reichsebene ausgeschlossen. Der Streit über die geistlichen Stifte und Güter wurde unter Aufhebung des Restitutionsedikts von 1629 dahin ausgeglichen, dass 1624 Normaljahr sein und der evangelische und katholische Besitzstand so bleiben oder wiederhergestellt werden sollte, wie er am 1. Januar 1624 gewesen war. Doch wurden auch hiervon die kaiserlichen Erblande ausgenommen, in denen der Kaiser das unbeschränkte landesherrliche Reformationsrecht mit wenigen Ausnahmen behaupten konnte. Die Territorialhoheit der Reichsstände wurde ausdrücklich anerkannt, ihnen wurde das Recht bestätigt, zu ihrer Erhaltung und Sicherheit untereinander und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen. Diese durften nur nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet sein. Die neue Verfassung des Reichs sollte auf dem nächsten Reichstag beraten werden.
Für die konfessionell gemischten Reichsstädte Ravensburg, Biberach und Dinkelsbühl in Süddeutschland wurde ein paritätisches Regierungs- und Verwaltungssystem eingeführt (Gleichberechtigung und exakte Ämterverteilung zwischen Katholiken und Protestanten, siehe Paritätische Reichsstadt). In Augsburg war die Parität schon in der Stadtverfassung von 1548 verankert und wurde durch diesen Vertrag bestätigt.
Wertung und Ausblick
Der Westfälische Friede war ein Kompromiss zwischen allen beteiligten Parteien, der möglich wurde, weil durch die totale Erschöpfung der Ressourcen und die allgemeine Kriegsmüdigkeit keine Seite durch die Fortführung des Krieges etwas gewinnen konnte. Das umfangreiche Regelwerk umfasst neben einem revidierten Religionsfrieden auch weitgehende Regelungen der Verfassungsverhältnisse des Reiches, die auf einen Ausgleich zwischen Kaiser und Reichsständen bedacht sind. Damit wurde der Friedensvertrag neben der Goldenen Bulle zum wichtigsten Dokument der Reichsverfassung. Viele der in ihm festgelegten politischen Kompromisse wirken noch bis in die Gegenwart fort. Im Vertragswerk offen gebliebene Fragen, insbesondere zum Thema Truppenabzug, wurden in den Folgemonaten im Friedensexekutionskongress in Nürnberg geklärt.
Nach heutigem Verständnis wird der Westfälische Friede als historischer Beitrag zu einer europäischen Friedensordnung gleichberechtigter Staaten und als Beitrag zum friedlichen Miteinander der Konfessionen gewertet. Die Verhandlungen von Münster, Osnabrück und Nürnberg stehen am Anfangspunkt einer Entwicklung, die zur Herausbildung des modernen Völkerrechts geführt hat, weshalb die Politikwissenschaft hier die Grundlagen des souveränen Nationalstaats sieht. Die Politikwissenschaft bezieht sich bei der Betrachtung von internationalen Beziehungen explizit aber nicht ausschließlich auf die Interaktion zwischen souveränen Staaten, das so genannte Westfälische System. Für dessen Aufrechterhaltung plädiert der Realismus.
Von vielen Zeitgenossen wurde der Friede als heiß ersehntes Ende eines jahrzehntelangen Krieges begrüßt. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts galt er insbesondere den Protestanten als Fundament der reichsständischen Libertät und Quelle der Religionsfreiheit der Reichsstände. Andererseits sah der Papst den Religionsfrieden kritisch und die nachfolgenden Kriege Ludwigs XIV., insbesondere der Holländische Krieg, wurden durch den Westfälischen Frieden auch nicht verhindert.<ref>Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg, ISBN 978-3-15-018642-8, S. 238 und 228.</ref> Im Jahr 1748 wurde in den deutschen Staaten eine Vielzahl von Medaillen auf den Westfälischen Frieden geprägt, die zeigen, welche große Bedeutung diesem Frieden auch 100 Jahre danach noch immer beigemessen wurde.
Erst im 19. Jahrhundert verdüsterte sich in Deutschland die Einschätzung aus dem Blickwinkel des kleindeutsch-preußischen Nationalismus, aber auch aus großdeutscher Perspektive. Der Friede wurde als Schande und Erniedrigung für Deutschland abqualifiziert; das Heilige Römische Reich als wehrlose Beute des „Erbfeinds“ Frankreichs gesehen. In der Zeit des Nationalsozialismus spitzte sich diese Einschätzung noch zu. Der Friedensschluss wurde für anti-französische Propaganda instrumentalisiert.
Heute gilt die Entstehung des deutschen Nationalstaates nicht mehr als einziger Maßstab zur Bewertung historischer Ereignisse. Die neueste Forschung sieht im Westfälischen Frieden daher eher den Beginn einer neuen Machtbalance und Kooperation zwischen den Reichsständen, dem Kaiser und den Institutionen des Reiches.
Filme
- 1648 – Der lange Weg zum Frieden. 89-minütige Fernsehdokumentation von Holger Preuße (WDR, Deutschland 2018)
- Pax Westphalica Ein Animationsfilm des LWL, der auch auf Youtube zu sehen ist